Haltung und Pflege beim Kaninchen

Die Tierarztpraxis Gerlitzki informiert:

 

Über die Haltung von Zwergkaninchen

Allgemeines

Viele Menschen fühlen sich der Natur verbunden und möchten gerne ein Haustier halten. Oft sind es gerade Kinder, die sich ein Tier wünschen und große Freude an dem neuen „Hausgenossen" haben. Die Verantwortung für das Wohlergehen des Tieres liegt jedoch immer bei den Erwachsenen, die sich daher nicht erst im Nachhinein, sondern vor dem Kaufeines Haustieres ausführlich über dessen Bedürfnisse und über die mit der Tierhaltung verbundenen Pflichten informieren sollten.

Zwergkaninchen gelten vielfach als ideale Tiere für Stadtwohnungen. Ein Käfig benötigt relativ wenig Platz. Die Tiere sind ruhig und stören die Nachbarn nicht. Als „Kleintiere" dürfen sie außerdem grundsätzlich auch ohne Erlaubnis des Vermieters gehalten werden.

Aber auch ein Zwergkaninchen ist ein Lebewesen, das eigene Bedürfnisse hat und tägliche Pflege benötigt. Dies gilt sein ganzes Leben lang. Zwergkaninchen werden häufig als ideale „Streicheltiere" angesehen. Doch gerade deshalb, weil sich diese Tiere gegen falsche Behandlung nicht so schnell zur Wehr setzen, müssen Eltern ihre Kinder besonders sorgfältig zum verantwortungsvollen Umgang mit diesen Tieren anhalten.

Zum natürlichen Verhalten aller Kaninchen gehört unter anderem auch das Graben von Gängen und Höhlen. Diesem Bedürfnis kann in Gefangenschaft üblicherweise nicht entsprochen werden. Auch täglicher Auslauf im Zimmer kann dies nicht ausgleichen.

Wer sich trotzdem für ein Zwergkaninchen als neues Familienmitglied entschieden hat, soll nachfolgend einiges über das Leben und die Bedürfnisse dieses Tieres erfahren.

Herkunft und Verhaltensweisen:

Das Zwergkaninchen stammt, wie alle anderen Hauskaninchen, vom europäischen Wildkaninchen ab. Obwohl die Zwergkaninchen auch als „Zwerghasen" bezeichnet werden, haben sie mit dem Feldhasen nichts gemein. Sie können sich mit diesem auch nicht verpaaren.

Bereits im 15. Jahrhundert wurden in Deutschland Kaninchen gehalten. Damals stand allerdings in erster Linie die Fleischgewinnung im Vordergrund. Erst nach dem zweiten Weltkrieg begann mit der Züchtung des Zwergkaninchens aus der Rassedes weißen Hermelinkaninchens der „Siegeszug" dieser kleinen Tiere als Spielkameraden in Deutschlands Wohn- und Kinderzimmer. Ursprünglich ist das Kaninchen ein Höhlenbewohner. Mit seinen kräftigen Vorderläufen gräbt es zahlreiche Röhren, die alle in einen Wohnkessel münden. Obwohl die Wildkaninchen in großen Kolonien leben, bilden sie keine Großfamilien, Häsin und Rammler führen eine Einehe. Die Männchen kennzeichnen ihr Herrschaftsgebiet durch ein Sekret ihrer Kinndrüsen und durch Verspritzen von Urin. In ihrem Einflussbereich dulden sie keine Rivalen. Kaninchen sind sehr ruhige Tiere. Die Verständigung untereinander erfolgt hauptsächlich durch die Körpersprache. Naht zum Beispiel ein Feind, so warnen sich die Tiere gegenseitig durch starkes Klopfen mit den Hinterläufen. Nur in Extremsituationen fangen sie durchdringend an zu schreien.

Haltung:

Mehrere Zwergkaninchen können nur bis zu Beginn der Geschlechtsreife gemeinsam in einem Käfig gehalten werden. Danach liefern sich die Tiere immer wieder Gefechte, um ihre territorialen Ansprüche im Käfig deutlich zu machen.

Besonders die Rammler können sich sehr stark bekämpfen. Am ehesten vertragen sich weibliche Wurfgeschwister, wenn sie von Anfang an gemeinsam aufgewachsen sind. Es bietet sich außerdem an, ein Zwergkaninchen gemeinsam mit einem Meerschweinchen zu halten, da diese Tiere sich in der Regel sehr gut vertragen und eine ähnliche Lebens- und Ernährungsweise haben. Zwergkaninchen sind sehr bewegungsaktiv und benötigen daher einen großen Käfig. Die handelsüblichen Käfige sind in der Regel viel zu klein. Auch wenn dem Kaninchen zwischenzeitlich Auslauf gewährt wird, sollte der Käfig mindestens 80 cm lang und 50 cm breit sein. Es ist eine Eigenart des Kaninchens, sich zeitweilig auf die Hinterläufe zu stellen und „Männchen" zu machen. Daher sollte die Käfighöhe mindestens 50 cm betragen. Heuraufe, Tränkeflasche und Fertigfutterspender sollten außen am Käfig befestigt sein, um den ohnehin kleinen Bewegungsraum im Käfig nicht noch weiter einzuschränken. Der Käfigboden muss so gestaltet sein, dass er problemlos ein- bis zweimal in der Woche gesäubert werden kann. Ein Plastikuntersatz ist mit heißem Wasser schnell ausgewaschen. Gibt man zum Wasser noch ein kokzidienabtötendes Desinfektionsmittel hinzu, so wird damit einer Infektion mit diesen Darmparasiten wirkungsvoll vorgebeugt.

Da Kaninchen von Natur aus Höhlenbewohner sind, mögen sie es gar nicht, wenn ihr Käfig frei im Raum steht und von allen Seiten einsehbar ist. Insbesondere, wenn sich jemand unvermittelt über den am Boden stehenden Käfig beugt, kommt es zu dem so genannten „Greifvogeleffekt". Das Kaninchen versucht in panischer Angst, ein Versteck aufzusuchen. Dabei kann es vorkommen, dass das Tier gegen die Käfigwände prallt und sich schwere Verletzungen zuzieht. Im Käfig ist dem Kaninchen unbedingt eine Schutzkiste mit Schlupfloch anzubieten. Sie braucht nicht größer als 20 cm x 30 cm in der Grundfläche und 20 cm hoch zu sein. Ist Gefahr in Verzug, so wird das Tier blitzschnell in dieses Versteck flüchten.

Für einen ständigen Aufenthalt sind aber auch die beschriebenen Käfige zu klein. Die Tiere brauchen mehr Auslauf. Das Laufenlassen in der Wohnung ist jedoch nicht ganz unproblematisch, da das Zwergkaninchen mit Vorliebe Elektro- und Telefonkabel anknabbert. Auch Stilmöbel sind vor seinen Nagezähnen nicht sicher. Unproblematischer ist es, wenn man das Tier auf dem Balkon laufen lassen kann. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass ein Zwergkaninchen Absperrungen von 70 cm Höhe mühelos aus dem Stand überspringen kann. Am günstigsten ist natürlich der Auslauf im eigenen Garten. Ein transportabler Pferch aus Holzlatten und

Drahtgeflecht ist leicht hergestellt. Er sollte etwa eine Größe von 2 m x 2 m in der Grundfläche haben und 75 cm hoch sein. Damit das Kaninchen vor Hunden, Katzen und Raubvögeln geschützt ist, muss der Pferch auch oben mit Maschendraht abgesichert sein. Auch in diesem Freiauslauf sollte dem Kaninchen eine Schutzhütte angeboten werden, damit es sich zeitweilig zurückziehen und sich auch vor der Sonne schützen kann. Da auch Zwergkaninchen das Graben nicht verlernt haben, ist eine mehrfache, regelmäßige Kontrolle tagsüber zu empfehlen. Nachts sollte man die Tiere ins Haus nehmen.

Ernährung:

Zwergkaninchen brauchen, wie alle Haustiere, eine ausgewogene Ernährung. Häufige Futterumstellungen führen zu Verdauungsstörungen, Durchfall oder Ver- stopfung. Hier sind Zwergkaninchen besonders empfindlich. Ähnlich wie das Angebot in der Natur sollte auch der Speisezettel des Heimkaninchens aus Gräsern, Kräutern, Früchten und Wurzeln bestehen. Aromatisch duftendes, staub- und schimmelfreies Heu stellt dabei die Grundration dar. Je nach Angebot der Jahreszeit stehen Grünfutter wie Löwenzahn, Luzerne, Bärenklau, Klee, Sauerampfer und verschiedene Gräser zur Auswahl. Auf jeden Fall ist darauf zu achten, dass diese Futtermittel frei von Pestizidrückständen sind, da diese schon in geringsten Konzentrationen Folgen für das Kaninchen haben können. Das Grünfutter darf außerdem auf keinen Fall angewelkt sein. Andernfalls kommt es im Darm des Kaninchens zu Gasansammlungen, an denen das Tier qualvoll eingehen kann. Das Grünfutter sollte über eine Raufe gefüttert und nicht auf die Einstreu gelegt werden.

Um sicherzugehen, dass man alle Bedürfnisse des Tieres befriedigt, kann man zusätzlich auf Fertigfutterpellets für Kaninchen zurückgreifen. An dieser Stelle ist auch dem weit verbreiteten Irrglauben entgegenzutreten, Kaninchen brauchten kein Wasser. Das stimmt ganz ausdrücklich nicht, auch wenn es in einigen Zoogeschäften immer wieder behauptet wird. Das Kaninchen deckt zwar einen Teil seines Flüssigkeitsbedarfs über das Grünfutter. Je nach Angebot ist es jedoch auf eine zusätzliche Wasserversorgung angewiesen. Bewährt haben sich Tränkeflaschen, die von außen an den Käfig gehängt werden. Tränkeschälchen, die in den Käfig gestellt werden, sind schnell verschmutzt und daher ungeeignet.

Besonders aufmerksamen Beobachtern wird auffallen, dass das Zwergkaninchen von Zeit zu Zeit kleine Mengen Kot vom After her aufnimmt. Dies ist keine Unart, sondern eine Möglichkeit des Kaninchens, seinen Vitaminbedarf durch die im Kot von den Darmbakterien synthetisierten Vitamine zu decken. Ähnlich wie beim Hamster, wachsen auch beim Kaninchen die Nagezähne ständig nach. Sie müssen durch Benagen harter Gegenstände kurz gehalten werden. Neben altem, hartem, schimmelfreiem Brot sind dafür auch Äste von Buche, Weide, Ahorn, Haselnuss oder von Apfel- und Birnbäumen geeignet. Auch hier muss wiederum sichergestellt sein, dass die Holzstücke frei von jeglichen Pestizidrückständen sind.

Erkrankungen:

Gesunde Kaninchen haben ein glänzendes Fell ohne Kahlstellen und Krusten oder Verschorfungen, die von Verletzungen herrühren. Die Augen müssen glänzen und dürfen nicht tränen. Die Nasenöffnungen sollten auf jeden Fall trocken sein. Eine besonders gefährliche und ansteckende Krankheit für das Kaninchen ist der Schnupfen. Auch auf saubere Ohren ist zu achten. Kleieartige Beläge weisen auf Ohrräude hin. Sind die Haare der After- und Bauchregion verklebt und verschmiert, so ist damit zu rechnen, dass das Tier Durchfall hat. Für jeden Tierhalter muss es eine Selbstverständlichkeit sein, bei ersten Anzeichen einer Erkrankung des Tieres den Tierarzt aufzusuchen.

Nicht nur die Nagezähne, auch die Krallen des Kaninchens wachsen ständig nach. Werden diese durch mangelnde Abnutzung zu lang, so sind sie mittels einer Kral- lenschere so zu kürzen, dass das rötlich durchscheinende Krallenbett nicht verletzt wird. Dies sollte man grundsätzlich einem erfahrenen Tierarzt überlassen.

Neben dem ansteckenden Schnupfen sind auch die Myxomatose und die „Chinaseuche“ zwei für ein Kaninchen lebensgefährliche Erkrankungen, die in der Vergangenheit schon für große Verluste gesorgt haben. Auch kaninchen, die keinen direkten Kontakt zu anderen Kaninchen haben, sind gefährdet.

Gegen die beiden letztgenannten Krankheiten existiert inzwischen ein wirkungsvolles Impfserum, was die Tiere vor Ansteckung schützt.

Umgang:

Das Kaninchen ist ein schreckhaftes Wesen, das behutsam an die Nähe des Men- schen gewöhnt werden muss. Erschreckt es sich, so neigt es zu fluchtartigen Bewe- gungen oder es beißt und kratzt. Bevor ein Kaninchen auf den Arm genommen wird, sollte man es unbedingt ansprechen und streicheln. Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Kaninchen hochzuheben: Entweder umfasst man mit der einen Hand die Schulter, während die zweite Hand von unten unter den Brustkorb greift, oder das Kaninchen wird am Nackenfell hochgehoben. Auf keinen Fall darf man ein Kaninchen an den Ohren hochheben. Zum Streicheln setzt man das Tier auf den Schoß oder nimmt es auf den Arm, wobei die Hand von unten und seitlich für einen sicheren Halt sorgen muss. Bereits Stürze aus Tischhöhe sowie ein Einklemmen zwischen Türen können beim Kaninchen zu Knochenbrüchen und schweren inneren Verletzungen führen. Obwohl das Kaninchen als „das Streicheltier schlechthin" gilt, liegt es vor allem in der Verantwortung der Eltern, darauf zu achten, dass die Kinder sorgfältig und behutsam mit dem Tier umgehen. Aufgrund seiner Schreckhaftigkeit ist das Zwergkaninchen für kleine Kinder nicht geeignet.

Zucht:

Zwergkaninchen sind recht fruchtbar. Bereits mit einem halben Jahr werden die Tiere geschlechtsreif. Das Weibchen kann viermal im Jahr bis zu vier Junge werfen. Auch wenn die kleinen Kaninchen noch so possierlich sind, so muss vor einer Zucht gewarnt werden. Es ist in den meisten Fällen nicht sicherzustellen, dass die abgegebenen Tiere nur in gute Hände kommen.

Das Zwergkaninchen auf einen Blick:

Zwergkaninchen gehören zu den beliebtesten Kleintieren in Deutschlands Haus- halten.

• Sie können bis zu 10 Jahre alt werden.

• Eine artgerechte Haltung ist nur bedingt möglich, in der Regel hat das Kaninchen nicht die Möglichkeit, Höhlen und Gänge zu graben.

• Geschlechtsreife Tiere können nur schwer in Gruppen zusammen gehalten werden. Die gemeinsame Haltung eines Zwergkaninchens mit einem Meerschweinchen hat sich jedoch bewährt.

• Am unproblematischsten ist die Haltung, wenn man den Tieren während der warmen Jahreszeit im Garten, innerhalb eines geschlossenen Pferches, einen Auslauf anbieten kann. Der Freilauf in der Wohnung birgt die Gefahr, dass alle möglichen Gegenstände angenagt werden.

• Der Käfig sollte geräumig sein und ein Schutzhaus enthalten.

• Das Zwergkaninchen ist ein schreckhaftes Tier. Es sollte nur Kindern überlassen werden, die die nötige Sorgfalt beim Umgang mit Tieren walten lassen.

Wenn man einem Tier schon keine artgerechte Haltung bieten kann, muss man sich wenigstens über die tägliche Versorgung hinaus intensiv mit ihm beschäftigen. Jeder Tierfreund sollte sich jedoch überlegen, ob er ein Tier halten möchte, dessen arteigene Bedürfnisse er nicht hinreichend berücksichtigen kann. Wer ein Zwerg- kaninchen aus Mitleid kauft, trägt schließlich auch dazu bei, dass weitere Tiere gezüchtet und in unnatürlicher Art und Weise gehalten werden.

Durch die Übernahme eines Tieres aus dem Tierheim leisten Sie einen aktiven Beitrag zum Tierschutz.

Weitere Literatur: Bayerische Landestierärztekammer (Hrsg): „Das Zwergkaninchen", Infor- mationsbroschüre aus der Reihe „Der Tierarzt berät in Tierschutzfragen", München, 1985